Im Reich des Dschingis Khan Ep.3

Und wieder einmal weckt uns der mongolische Sonnenschein. Wir haben unser Nachtlager diesmal unter einer Kiefer am Bach aufgeschlagen. Im letzten Abendlicht konnte ich noch die Fische beim Abendsprung beobachten. Wahrscheinlich auch ein Grund warum ich schon früh wach bin und überlege welches Fliegenimitat wohl das beste sein könnte. Während ich zum Wasser schleiche bereitet Aneta schon das Frühstück vor. 

 

Beim zweiten Wurf mit der Fliegenrute erwische ich eine mongolische Äsche und bin überglücklich.Die Natur um mich herum habe ich erst garnicht richtig wahrgenommen. Erst jetzt bemerke ich die Yakherden und singenden Steppenvögel. Große Heuschrecken fliegen vor mir her während ich zurücklaufe.Nach dem Frühstück durchqueren wir noch einen Bach und sind wieder auf dem Weg.

Schatzi hats nicht verlernt

Als nächste Ziele haben wir den Besuch des Khorgo Vulkan und im Anschluss Karakorum, Dschingis Khans Hauptstadt auf dem Plan. Wir finden einen wunderschönen Nachtplatz. Wieder einmal am Wasser. Ein Fluss der mein Anglerherz zwei Tage später sehr glücklich machen wird.

Wir waschen Wäsche, ordnen unsere Erlebnisse und Gedanken. Abends sitzen wir am Feuer und schmieden Pläne. Wir sind dankbar. Dankbar hier sein zu dürfen. Aber vor allem sind wir glücklich.

Schatzi schläft schon lange als ich noch den Himmel nach Sternschnuppen absuche und auf der Naviapp die aktuelle Position checke. Daran werde ich mich vermutlich nie gewöhnen. Die Entfernung von Zuhause. Ein Screenshot hält es fest. Vielleicht wird es mir im Nachhinein einmal bewusst.

Mehrmahls versuche ich mein Anglerglück an dem Fluss, aber außer recht kleinen Forellen will nichts beißen. Nach zwei Tagen verschlechtert sich das Wetter und während dem Nieselregen ziehe ich noch ein letztes Mal los. Flussauf, als der Truck schon lange außer Sicht ist, kann ich in Flussmitte einen großen Schwall erkennen. Ich werfe ihn direkt an und während mein Köder fliegt geht mir nur ein Gedanke durch den Kopf. -Es kann nur eine riesige Forelle sein oder ein Huchen. Der Fisch der tausend Würfe. König der Flüsse und meist unerfüllter Traum eines jeden Anglers.

Dann taucht mein Köder mit einem winzigen „plop“ ins Wasser. Um mich herum scheint die Welt den Atem anzuhalten. Eins, zwei, drei….Umdrehung für Umdrehung hole ich den Köder langsam ein und gefriere fast als ein starker Ruck durch die Angel fährt. Ich quitiere den Biss in Millisekunden mit einem satten Anhieb. Ein spannender Drill beginnt und fünf Minuten später halte  ich den Fisch in Händen. Ich sacke zurück auf einen großen Stein am Ufer und bestaune den Fang. König der Flüsse.

Keine Riese, dennoch Fang des Lebens (ausgewachsene Exemplare erreichen Größen von weit über 1m Länge
Selbstverständlich schwimmt er wieder in seinem Revier. Ehrensache!

Beschwingt steuere ich unseren Laster durch Kiefernwälder entlang des Flusses in Richtung Khorgo Vulkan. Die Zufahrt zum Vulkan ist in einem sehr schlechten Zustand. Die Einheimischen scheint dieser Umstand nur sehr wenig zu bekümmern. Mit ihren Toyota Prius (meistverkauftes Model im Land) brettern sie über die Pisten als wäre es eine asphaltierte Landstraße. So kommt es, dass immer wieder liegen gebliebene Fahrzeuge den Wegesrand säumen oder dort notdürftig repariert werden. Ein Regenschauer verwandelt die Piste vor uns in ein wahres Schlammbad. Für uns keine große Sache, aber für die kleinen Hybridfahrzeuge oftmals das Ende der Fahrt.

Das letzte Stück zum Vulkan gehen wir zu Fuss und der Blick auf die Umgebung und den Krater macht uns ehrfürchtig. Wie muss das ausgesehen haben als er noch Lava spuckte?

Die Nacht verbringen wir am nahegelegenen See. Umgeben von Yurtencamps in denen Touristen ihre Ferien verbringen. Tags darauf wandern wir durch das beeindruckende Lavafeld und erkunden Lavahöhlen. Mit einem Hammer zerschlagen wir kleinere Lavabrocken auf der Suche nach Kristallen und werden schließlich auch fündig. Anetas Freude ist schön anzusehen. Wie eine kleine Archäologin versucht sie immer noch größere Kristalle frei zu legen.

Um uns menschenleere Wildnis. Hier soll es Bären geben, verkünde ich ihr, und kurz darauf zieht ein Unwetter auf und wir rennen zurück. Es erinnert uns an unsere Kindheit als wir „Der Boden ist Lava“ gespielt haben. Vorbei an einem Pferdekadaver springen wir von Fels zu Fels. Stop. Pferdekadaver? Bären? Rette sich wer kann! Lachend und außer Puste kommen wir am LKW an. Glück gehabt…

Auf dem Rückweg zur Hauptstraße ziehen wir noch einen steckengebliebenen Prius aus der (P)Matsche. Die scharfkantigen Lavasteine hinterlassen ihre Spuren in unsern Reifen, aber wir kommen problemlos weiter.

Zwei Tage später erreichen wir Karakorum. Es ist bereits Nachmittag und wir bekommen nur einen kurzen Eindruck längst vergangener Zeiten. Wir beschließen erst einen mehrtägigen Ausflug ins Orkhon Valley zu unternehmen, fahren noch bis abends und erreichen die Hauptroute zum Tal. Ein toller Nachtplatz am Bach beschert uns wieder einmal ein romantisches Lagerfeuer.

Yakkalb
Früh morgens schrie das verlorene Lamm über die Wiese
Schatzi die Retterin schreitet zur Tat
Ein Sprung is kalte Wasser

Die Piste ist anfangs noch recht gut zu befahren und wir kommen zügig voran. Dann wird das Tal aber enger und die Piste zunehmend schlechter und schließlich fast unerträglich schlecht. Am Ende der Piste erreichen wir ein Dorf und kurz danach ein nahezu unüberwindbares Lavafeld. Eine viel zu schmale Spur führt durch das scharfkantige Gestein. Im Schritttempo überwinden wir es und erreichen nach einer gefühlten Ewigkeit einen geeigneten Übernachtungsplatz auf der anderen Talseite.

Ein toller Übernachtungsplatz. Im Hintergrund das Lavafeld.

Eine der Hauptattraktionen und Naturschauspiele ist der Orkhon Wasserfall, der sich tosend und brausend circa 20 Meter tiefer in ein Becken ergießt. Um dort hin zu gelangen müssen wir abermals ein Lavafeld überqueren und danach die gesamte Strecke auch wieder zurück. Aber schließlich haben wir unseren Sundancer auch für solche Strecken gebaut und präpariert. Und er meistert seine Aufgabe. Zum Abschied vom Okhon Valley beschenkt uns ein Geier mit einer seiner Schwungfedern, welche uns sozusagen fast direkt vor die Füße bzw. Räder fällt.

Schafsfelle

Wassertanken

Mal wieder eine einfache Furt
Gleich springt ein Hobbit auf die “Straße”
Da wars noch einfach

Jurtencamps im Orkhon Tal
Orkhon Fluss

Schließlich sind wir zurück am Karakorum und bewundern die geschichtsträchtige Stadt und ihre Klöster. Die Stadt wurde im Jahre 1220 gegründet und war lange Zeit die Hauptresidenz des grausamen Stammesführers. Später wurde sie von Chinesen vollkommen zerstört und im Jahr 1415 durch Mongolen wieder aufgebaut. Im 16. Jahrhundert verfiel die Stadt endgültig und wurde zum Steinbruch für das 1586 errichtete buddhistische Kloster Erdene Dsuu. Zu Sowjetzeiten wurde das Kloster brutal geplündert, die Mönche gefoltert, ermordet und gebrandschatzt. Riesige goldene Buddha Statuen wurden eingeschmolzen und Teile der Klosteranlage zerstört.

 

Great mongolian monument

Steinadler (zur Jagd abgerichtet)

Als wir das Kloster verlassen wird uns bewusst, dass auch wir nur eine recht kurze Geschichte in der Mongolei schreiben werden. Vor uns liegt Ulaanbator, die Hauptstadt der Mongolei. Zwei Drittel aller Mongolen leben hier. Als wir dort ankommen erleben wir krasse Gegensätze aus Tradition und Moderne. Keine Spur von Reitern, Vieh oder harmonischen Beisammensein. Im Gegenteil, dichter Smok liegt über der Stadt wie ein grauer Schleier der versucht alles zu ersticken was unter ihm liegt. Das Verkehrsaufkommen ist unglaublich stressig.

Wir verbringen zwei Tage im Hof eines Hostel und erkunden an nur einem Tag die hektische Stadt und erledigen Einkäufe. Es fällt uns sehr schwer unsere Gefühle zu ordnen. Weg ist die Weite, die Freiheit, der Frieden und die friedliche Stille. Auch von einer mongolischen Kultur scheint hier nicht viel übrig geblieben zu sein. Einzelne Jurten in Innenhöfen sind stille Zeugen des ehemaligen Landlebens. Am Stadtrand drängen sich Jurtensiedlungen dicht an dicht. Mongolen, die sich gegen das traditionelle Steppenleben entschieden haben versuchen hier ihr Glück. Für uns ist es kaum auszuhalten in dieser Hektik und so verlassen wir die Stadt gen Norden in Richtung Grenze.

Jeder fängt klein mal klein an
Hostel “Oasis” eine Oase im Großstadtdschungel

Hier kann man auch in einer Jurte übernachten. Sehr romantisch finden wir.
Kahnspalast
Der Lama Tempel mitten in der Stadt

Mongolischer Käse
Wer in der Mongolei meint er komme leicht an frisches Fleisch der irrt. Erst in einem großen Supermarkt finden wir frisches Lamm.
Auf dem Weg zur Grenze verabschieden uns noch einmal große Pferdeherden und Kälber

Everyone smiles in the same language 
Hier verabschieden wir uns und danken für die tollen Erlebnisse

Unser Visum endet in wenigen Tagen und wir lassen einen Teil unserer Herzen für immer hier. Den letzten Abend huldigen wir mit einem großen Lagerfeuer.

Mongolei du wunderbares, ursprüngliches Land, du hast uns verzaubert, tief berührt und bleibst uns unvergesslich…

Im Reich des Dschingis Khan Ep.2

Nach fünf wunderbaren Tagen packen wir unsere Sachen und machen uns auf den ruppigen Rückweg nach Khovt. In den Bergen hat es Starkregen gegeben. Es ist Regenzeit.

Als wir die andere Seite, das Flusstal erreichen, erleben wir eine schlammige Überraschung. Von den Bergen hat der Regen den losen Staub und Lehm herab gespült und die Piste in ein 30cm tiefes Meer aus Schlamm verwandelt. Meine anfängliche Enttäuschung wandelt sich schnell in Spaß als wir mit gut 40km/h durch die braune Brühe fetzen. Es spritz und gurgelt in den Radkästen. Unser Sundancer bekommt eine mongolische Schlammpackung par excellence.

Auf der folgenden Staubpiste „paniere“ ich uns noch kräftig und wir sehen aus wie geteert und gefedert. Was ein Spaß!

dirty pig

Zurück am Fluss packen wir unsere Wasserpumpe aus und spülen die „Kur“ wieder ab.

Vorher
Nacher

Unser Truck erstrahlt in neuem Glanz und rollt über die Straße nach Khovt. Auf der Suche nach neuem Trinkwasser treffen wir auf einen Deutschmongolen im „Heimaturlaub“. Ganz unvoreingenommen nimmt er sich Zeit um uns in seiner Heimatstadt zur Wasserquelle zu führen. Wir sind wiedermal verblüfft von der Großherzigkeit.  Vollgetankt verabschieden wir uns. Für uns geht es jetzt Richtung Norden, nach Ulaangom.

Aussicht über Khovt
so dreht er seine Runden….

Ein Nachplatz in der Steppe ist auch direkt gefunden. Zufrieden  liegen wir im Bett und beobachten noch lange die Sterne durch unsere große Dachluke.

Am Morgen darauf zeigen sich die ersten Ermüdungserscheinungen am Material. Die Auspuffhalterung ist gebrochen. Hatten wir sie doch erst schweißen lassen in Polen. Mit Bordmitteln und einem Stück Edelstahl eine einfache Reparatur.

Mechaniker-Yoga

Weiter geht es durch Steppe, Hochebenen und Gebirge. Zwei Nomaden die unseren Weg kreuzen bieten wir Zuflucht vor einem Gewitter. Die Verständigung klappt ganz hervorragend mit Stift und Zeichenblock. Die beiden machen uns klar, dass ihre Herden über 1000 Pferde, Schafe und Ziegen zählen. Nach dem Schauer setzen wir die Fahrt fort. Immer wieder sehen wir Adler und riesige Geier kreisen. Große Viehherden wandern durch das weite Land und die ersten Kamele sind zu sehen.

Pistenautobahn, in der Mongolei ganz normal

Plötzlich erkennen wir in der Ferne zwei Radfahrer. Wir trauen unsern Augen kaum und halten auf sie zu, stoppen und lernen Bex und Robert kennen.  Die beiden sind in Indonesien gestartet und auf dem Weg nach Tajikistan, wie wir. Es wird der Tisch ausgepackt und wir trinken ein kaltes Radler. Zwei Nomaden, welche mit einem Moped aus dem Nirgendwo angefahren kommen, bereichern die Runde und bringen selbst gemachten Käse. Verblüffend. Mitten im Nirgendwo entsteht eine schöne Reisefreundschaft.

http://www.Instagram.com/rnbcycles/

Herzlich verabschieden wir uns von den beiden Radfahrern mit der Vereinbarung uns in Kirgistan wieder zu treffen.  Noch lange spuken die beiden uns in den Köpfen herum und sind Thema unserer Gespräche.

Mit dem Fahrrad. So weit. Durch die Welt mit so wenig Gepäck. Sind die verrückt oder wir, oder ist das einfach nur faszinierend zu was Menschen fähig sind. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass es Reisende wie wir sind, eine Reise verändert und, dass es nicht das WIE ist, wie man die Reise bestreitet, sondern das WARUM. Und da hat jeder seine eigene Motivation und Liebe. Vielleicht werden auch wir einmal mit nur zwei Rädern unsere Spuren durchs Nirgendwo ziehen.

Die faszinierende Landschaft verschlingt uns und unser Gefährt nun vollkommen. Erst aus der Vogelperspektive wird einem diese ewige Weite bewusst. Unglaublich welche Landmasse wir hier durchkreuzen.

Übernachtungsplatz mit Aussicht
Neugieriger freundlicher Besuch am Morgen

Einen engen steinigen Pass folgend überqueren wir einen weiteren Gebirgszug und beschließen ein paar Tage am Khyargas Nuur See zu verbringen. Einer der größten Seen der Mongolei. Etwas abseits finden wir einen Strandabschnitt, einige Kilometer lang und menschenleer. Weichsand macht uns das Vorankommen schwer, aber schließlich erreichen wir das Ufer. Sommergewitter ziehen über den See und nächtliche Stürme zwingen uns dazu unseren Truck in den Wind zu parken. Die Böen sind extrem und rütteln an uns als wären wir in einem Zelt.  Apropos Zelt. Was würden unsere beiden Radfahrer jetzt wohl machen…

Das Leben kann so schön sein
Asiatische Barbe

Tag für Tag verlieben wir uns mehr und mehr in unseren Sundancer. Es ist mehr als nur ein Expeditionsmobil für uns geworden. Es ist unser Zuhause geworden. Unsere Unterkunft, Unterschlupf und Sicherheit, Mobilität und Komfort in einem. Herrlich.

Es vergehen drei erholsame Tage. Der Fischvorrat ist wieder gefüllt und die Kleidung frisch gewaschen. Die Antriebswellen sind frisch abgeschmiert, alle Öle kontrolliert und der Ausgleichsbehälter der Fussbodenheizung ist jetzt auch wieder sicher befestigt nach dem Gerüttel der Pisten. Vor uns liegt das grüne Hochland im Norden der Mongolei. Das Gras wird zunehmend saftiger und die ersten Gebirgswälder zeigen sich. An einem Übernachtungsplatz am See bekommen wir Besuch von einem Nomadenjungen, welcher uns selbst gemachten Käse schenkt und drei junge Kälber hütet.

Fremdartige Vögel

Kuscheln mit Vierbeinern
Immer wieder prächtiger Uferbewuchs an den zahllosen Seen

Immer wieder begegnen wir herzlichen, freundlichen Nomaden. Überall huschen Ziesel und Hamster über die Weiden. Unzählige Greifvögel stellen ihrer Beute nach. Das Landschaftsbild ist geprägt von grünen Hügeln, steilen bewaldeten Bergen, und immer wieder erscheinen weiße Punkte in der Ferne, die Jurten der Nomaden.

Die Pisten werden zunehmend schlechter und wir kommen teilweise nur im Schritttempo voran. Erstaunlicherweise ist die Piste etappenweise von nagelneuem Asphalt unterbrochen.  Chinesische Unternehmen bilden hier ein neues Straßennetz. Es soll offenbar Teil der neuen Seidenstraße werden. Durch den Bau neuer Straßen wird ein Bereisen der Mongolei zwar wesentlich einfacher, andererseits verliert die Mongolei dadurch aber ihren Charme. Wir sehen das Ganze mit gemischten Gefühlen, obgleich wir doch froh sind für wenige Augenblicke auf neuem Asphalt zu schweben.

Animalische Straßensperre
Verlorenes Brennholz am Straßenrand beschert uns immer wieder schöne Lagerfeuer

Am Ende der Ausbaustrecke erklimmen wir einen Berg auf dem wir den Eindruck bekommen als wäre hier die Zeit stehen geblieben. So weit das Auge reicht erblicken wir blühende Wiesen von Edelweiss und Enzian. Es fällt uns schwer zwischen der wunderschönen Blumenvielfalt hindurch zu balancieren ohne sie zu zertreten. Eine echte Augenweide.

Beflügelt von der mongolischen Schönheit setzen wir singend unsere Fahrt Richtung Osten fort….Dsching-Dschin-Dschingis Khan…..

Im Reich des Dschingis Kahn Ep.1

1:00 Uhr nachts. Laute Stimmen und das Klirren von fallendem Werkzeug auf Asphalt lässt mich aufschrecken. Da wird doch nicht einer versuchen unser Fahrzeug zu …. Aber nein, ein kurzer Blick nach draußen schafft Klarheit und enttäuscht meine typisch deutschen negativen Erwartungen.  Am Nachbarauto wird aufgeregt geschraubt, und Taschenlampenlicht durchbricht die tiefdunkle Nacht. Ich erkenne, dass der Van hinten links einen Platten hat. Mir wird sofort klar, dass die Männer es nicht ohne Hilfe schaffen werden den Reifen von der Felge zu bekommen und zu flicken.    Ich schmeiße mich umgehend in meine Arbeitsklamotten, schnalle mir die Stirnlampe um und bin draußen. Mit ,,Hand und Fuß“ verständigen wir uns darauf den Reifen mit unserem Lkw „abzumontieren“, indem wir einfach mit einem Rad auf den kaputten Reifen fahren und ihn somit von der Felge bekommen. Ein Ersatzreifen wird aus den unzähligen Koffern, Taschen und ähnlichen Mitbringseln des kasachischen Vans hervorgekramt, im Handumdrehen montiert und mit Hilfe unserer Druckluftanlage aufgeblasen. Überglücklich beenden wir die Aktion keine Stunde später. Erleichtert gehen alle zurück in Ihre Fahrzeuge und auch ich lege mich mit einem Grinsen ins Bett.

Endlich konnte ich Hilfe zurück geben die wir seit Beginn unserer Reise immer wieder selbst erfahren durften.

Die ersten Sonnenstrahlen durchfluten unsere Kabine und sogleich läutet der Wecker. Von draußen ist geschäftiges Treiben zu vernehmen. In uns steigt sofort die Aufregung hoch. Kaum 30 Minuten und einen Kaffee später öffnen sich die Grenztore und wir werden heran gewunken. Die Ausreiseformalitäten sind recht schnell erledigt. Aneta scherzt mit den russischen Zollbeamten. Und im Nu sind wir unterwegs im Niemandsland auf dem Weg zur mongolischen Grenze. Der Asphalt endet sogleich und wir bekommen eine kleine Ahnung von dem was uns bisher nur erzählt wurde. Es geht vorbei an kleinen Hügeln und die ersten Murmeltiere heißen uns willkommen.

Grenzabfertigung
Niemandsland Russland-Mongolei
Murmeltier

Der mongolische Grenzposten erscheint vor uns. Ein für uns Europäer ungewohntes Bild verstört uns direkt. In der Warteschlange aus PKWs und LKWs wird gedrängelt und überholt so gut es geht. Jeder versucht möglichst der Erste am Schlagbaum zu sein. Ein Grenzbeamter schafft Ordnung und nach gut vier Stunden sind auch wir an der Reihe und kurze Zeit später „Mongolen auf Zeit“.

Grenzchaos an der mongolischen Grenze
MONGOLEI

Was für ein Gefühl! Wir sind total erschlagen von unseren Emotionen. Die Mongolei war unser erstes großes Ziel. Knapp 10.000km weit entfernt von Zuhause. Vor noch nicht mal sechs Monaten war die Kabine unseres Sundancers innen noch „nackt“. Jetzt parken wir tatsächlich wenige Kilometer nach der Grenze an einem der unzähligen Seen. Wir  ziehen ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank und setzen uns überwältigt und ergriffen ins Steppengras. 

Am anderen Ufer sehen wir zum ersten Mal im Leben echte mongolische Jurten und Yaks grasen. Zwei Kinder treiben auf einem Esel reitend ein paar Kälber an uns vorbei. Passiert das gerade wirklich? Wie kann sich die Welt innerhalb so weniger Kilometer so stark verändern!?

Erstmal setzen lassen…

Immer wieder haben wir in den unterschiedlichen Reiseberichten von der unglaublichen Weite des Landes gelesen, und erfahren sie nun selbst auf unserem Weg zur Stadt Ölgii. 

Skelette am Pistenrand begrüßen uns und geben einen gruseligen Eindruck. Ein kurzer kalter Schauer läuft einem da über den Rücken und es wir sofort klar, wenn die Karre jetzt kaputt geht bist du der einsamste Mensch auf Gottes weiter Erde.

Die letzten Kilometer Asphalt

 

Angekommen in Ölgii versuchen wir sofort Kontakt zur „vernetzten Welt“ zu bekommen, doch alle Mobilfunkläden haben bereits geschlossen und wir setzen ohne SIM Karte unsere Reise fort. Wen sollten wir auch kontaktieren im Falle einer Panne? Die beiden Jungs auf dem Esel?

Unseren ersten Nachtplatz finden wir an einem See. Es dämmert bereits und wir können die Schönheit der Umgebung nur erahnen. Erst am nächsten Morgen ist uns beiden sofort klar, dass wir hier so schnell nicht weg wollen. Wir lassen zum ersten Mal unsere Seelen baumeln, gehen Angeln und erfreuen uns an der atemberaubenden Kulisse. Abends ziehen Wolken von Mücken über die Ufer des Sees und wir sichern uns gegen die circa dreimal so großen Plagegeister, als wir sie kennen, ab.

Endlich wieder Angeln
Mongolian Osman

Riesige Mücken

Drei Tage später setzen wir unsere Reise Richtung Süden fort. Es geht durch saftig grüne Täler, vorbei an steilen rot-braunen Gebirgen. Als wir einen hohen Pass mit 3000m überqueren erblicken wir eine riesige Blumenweide und genießen den Anblick mit einem Kaffee in der Hand. Auf dem Weg treffen wir auf eine Gruppe Reisender, ein Expeditionstruck und zwei Wohnmobile von denen eines ungewöhnlich kreativ gebaut ist. Die Gruppe befindet sich auf dem Weg durch die Mongolei in Richtung China. Wir sind uns uneins, ob die beiden Wohnmobile dem Terrain gewachsen sind. Später sollen wir jedoch erfahren, dass die beiden es gut nach China geschafft haben.

Ein Häuschen auf Rädern

In der Stadt Khovt finden wir einen Mobilfunkladen und werden nach dem Einlegen der SIM Karten überflutet von Nachrichten. Fluch und Segen könnte man meinen. Dennoch sind wir etwas erleichtert wieder Bescheid geben zu können, dass es uns gut geht und wir noch nicht am Wegesrand in der Steppensonne dahindörren.

Dörrfisch

Ganz oben auf unserem Reiseplan steht der Besuch der berühmten Sanddüne Mongol Els. Gelegen am Rande des Dorgon Nuur Sees im Herzen der Mongolei. Gespannt und müde parken wir unser Gefährt an einem Fluss an dem der Track beginnt, welcher uns zur Düne führen soll.

Einer unserer zahllosen schönen Übernachtungsplätzen

Der Tag begrüßt uns mit lachendem Sonnenschein. Ob er mit oder über uns lacht, da sind wir uns noch nicht sicher. Vor uns wartet unser erstes „vernünftiges“ Offroad-Abenteuer. Der 128 Kilometer lange Track zur Düne unserer Träume führt durch ein weites Flusstal hinauf zu einen Pass über ein Gebirge durch menschenleeres Gebiet und wieder hinab bis zum Rand der Düne. Vorbei an Tierkadavern, schamanischen Ovoo’s und durch Bäche geht es zur ersten Wellblechpiste.

Nach zwei Kilometern müssen wir Luft ablassen, um die starken Vibrationen etwas zu dämpfen. Erst ab 60km/h beruhigen sich die Schwingungen und unsere Reifen streifen nur noch die Spitzen der Wellen. Wer zum ersten Mal Wellblech fährt kann unser Gefühl gut nachvollziehen. Auf dem Weg stoppen wir mehrmals um so manche Schraube zu kontrollieren oder die Ladung zu sichern. Aber auch um Aufnahmen der atemberaubenden Umgebung zu machen. Die scheinbar gottverlassene Gegend ist wunderschön und angsteinflössend zugleich.

Greifvögel sind allgegenwärtig
…deren Beute auch…
An einem Ovoo bitten wir um Segen für die Weiterfahrt

Unendliche Weiten
Ein verlorener Punkt im Nirgendwo am Ende der Welt

Am Horizont erscheint verschwommen der See und die Silhouette der Düne. Gegen Abend erreichen wir endlich unseren Nachtplatz an der Mongol Els  und werden für die ruppige Fahrt mit einem tollen Sonnenuntergang belohnt.

Mehrmals durchqueren wir ausgetrocknete Flussbetten
Endlich ist das Ziel in Sicht

Hier bleiben wir mehrere Tage. Das ist uns beiden sofort klar. Zum ersten Mal im Leben wandere, laufe und rolle ich barfuß über den herrlich warmen Dünensand. Wir sitzen im Sonnenuntergang auf den Spitzen der warmen Sandhaufen. Die Stille hier ist unglaublich. Man kann sein eigenes Blut rauschen hören, während schneeweiße Kumuluswolken über einen hinweg ziehen und der See mit kleinen sanften Wellen den Sand wegspült.

Im Weichsand festgefahren, jetzt heißt es Luft ablassen und weiter gehts
Mit dem selbstgebauten Fernreisemobil in der Wüste zu stehen hat schon was…
Die Mongol Els
Gemeinsam einsam -herrlich!
Allgegenwärtig…

Nomadlife
Wüstenblume

Nach dem warmen Wüstenregen

Hier feiere ich meinen 39. Geburtstag. Welche Ehre. Ich beschenke mich selbst mit einer langen Wanderung durch die Wüste. Während Aneta heimlich einen Geburtstagskuchen bäckt. Bei meiner Rückkehr bin ich fassungslos und gerührt. Schokokuchen im Nirgendwo. Dass ich das noch erleben darf.

 

„Life is good“ und „Wer einmal in die Wüste geht und wiederkehrt, ist nicht mehr derselbe“